Unterschiede gerichtliches Strafrecht und Verwaltungsstrafrecht
Zwischen dem gerichtlichen Strafrecht und dem Verwaltungsstrafrecht gibt es bedeutende Unterschiede. Im Verwaltungsstrafverfahren gilt das Inquisitionsprinzip, dh “anklagende” und “urteilende” Behörde sind nicht voneinander getrennt.
Weiters gilt im Verwaltungsstrafverfahren das Kumulationsprinzip. Werden mehrere Delikte begangen wird für jedes einzelne Delikt eine gesonderte Strafe verhängt.
Im Verwaltungsstrafrecht genügt grundsätzlich Fahrlässigkeit zur Strafbarkeit und die Unschuldsvermutung gilt nicht.
Abgekürztes Verfahren
Um die Verwaltungsstrafbehörden zu entlasten, sieht das Verwaltungsstrafgesetz vor, unter bestimmten Voraussetzungen Strafen ohne vorhergehendes Ermittlungsverfahren zu verhängen. Dabei gibt es folgende Möglichkeiten:
Organstrafverfügung
Die Behörde kann besonders geschulte Organe der öffentlichen Aufsicht (zB Polizist) ermächtigen, wegen bestimmter von ihnen dienstlich wahrgenommener oder vor ihnen eingestandener Verwaltungsübertretungen mit Organstrafverfügung Geldstrafen einzuheben. Ist in den Verwaltungsvorschriften der Höchstbetrag nicht bestimmt, hat die Behörde eine einheitlich im Vorhinein festgesetzte Geldstrafe bis zu EUR 90,00 einzuheben. Eine Organstrafverfügung erhalten Sie zB wenn Sie falschparken oder zu schnell fahren und angehalten werden.
Gegen die Organstrafverfügung ist kein Rechtsmittel zulässig! Wird die Zahlung verweigert (oder binnen zwei Wochen nicht eingezahlt), wird die Organstrafverfügung gegenstandslos. Dann wird Anzeige erstattet und das Strafverfahren eingeleitet.
Anonymverfügung
Zur Verfahrensbeschleunigung sieht das Verwaltungsstrafgesetz vor, durch Verordnung einzelne Tatbestände von Verwaltungsübertretungen zu bestimmen, für die die Behörde durch Anonymverfügung eine im Vorhinein festgesetzte Geldstrafe bis zu EUR 365,00 vorschreiben darf.
Beruht die Anzeige auf der dienstlichen Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht oder auf Verkehrsüberwachung mittels bildverarbeitender technischer Einrichtungen, so kann die Behörde die Geldstrafe ohne Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch Anonymverfügung vorschreiben.
Die Anonymverfügung kommt insbesondere in der Straßenverkehrsordnung zur Anwendung und wird meist an den Zulassungsbesitzer zugestellt. Von diesem wird angenommen, dass er weiß, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt das Fahrzeug gelenkt hat.
Gegen die Anonymverfügung ist kein Rechtsmittel zulässig! Sie wird gegenstandslos, wenn nicht binnen vier Wochen bezahlt wird. Die Behörde beginnt dann mit der Ermittlung des Täters. Wird die Anonymverfügung hingegen bezahlt, so wird der unbekannte Täter nicht ausgeforscht.
Die Anonymverfügung darf weder in amtlichen Auskünften erwähnt noch bei der Strafbemessung im Verwaltungsstrafverfahren berücksichtigt werden.
Strafverfügung
Wenn von einem Gericht, einer Verwaltungsbehörde, einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder einem militärischen Organ im Wachdienst auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung oder eines vor ihnen abgelegten Geständnisses eine Verwaltungsübertretung angezeigt oder wenn das strafbare Verhalten aufgrund von Verkehrsüberwachung mittels bildverarbeitender technischer Einrichtungen festgestellt wird, dann kann die Behörde ohne weiteres Verfahren durch Strafverfügung eine Geldstrafe bis zu EUR 600,00 festsetzen. In der Strafverfügung kann auch auf den Verfall beschlagnahmter Sachen oder ihres Erlöses erkannt werden, wenn der Wert der beschlagnahmten Sachen EUR 200,00 nicht übersteigt.
In der Strafverfügung müssen angegeben sein: die Behörde, die die Strafverfügung erlässt, der Vorname und der Familienname sowie der Wohnort des Beschuldigten, die Tat, die als erwiesen angenommen ist, ferner die Zeit und der Ort ihrer Begehung, die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung, allenfalls der Ausspruch über die vom Beschuldigten zu ersetzenden Kosten und die Belehrung über den Einspruch gegen die Strafverfügung. (siehe nächster Punkt).
Einspruch gegen Strafverfügungen
Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.
Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.
Der Einspruch muss enthalten:
- Bezeichnung als Einspruch
- Bezeichnung der beeinspruchten Strafverfügung
- Angaben zur Rechtzeitigkeit des Einspruchs (Zustellung)
- Angaben zum Anfechtungsumfang (Schuldspruch und/oder Strafhöhe)
- Beweismittel
- Evtl Begründung (es besteht kein Neuerungsverbot!)
Der Einspruch ist gebührenfrei und es besteht keine Anwaltspflicht.
Wenn sich der Einspruch nur gegen die Strafhöhe richtet, entscheidet die Behörde darüber mittels Bescheid. Die Strafe bleibt entweder gleich oder wird runtergesetzt. Eine höhere Strafe ist nicht zulässig.
In allen anderen Fällen leitet die Behörde das ordentliche Verfahren ein. Wird dann in der Folge ein Straferkenntnis erlassen, darf keine höhere Strafe verhängt werden.
Ordentliches Verfahren
Im sogenannten ordentlichen Verfahren führt die Behörde – im Gegensatz zum abgekürzten Verfahren – ein Ermittlungsverfahren durch. Die Behörde muss dem Beschuldigten die Möglichkeit geben, sich zu rechtfertigen (“Parteiengehör”). Dies kann entweder mündlich durch eine Einvernahme, oder schriftlich mittels Stellungnahme erfolgen.
Das ordentliche Verfahren endet entweder mit der Einstellung des Verfahrens oder mit einem Straferkenntnis, gegen welches wiederum Beschwerde erhoben werden kann (siehe nächster Punkt).
Wird ein Straferkenntnis erlassen, hat der Bestrafte zusätzlich zur eigentlichen Strafe, einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10% der verhängten Strafe zu bezahlen.
Bescheidbeschwerde
Die Frist zur Erhebung der Beschwerde beträgt vier Wochen ab Zustellung des Bescheids. Die Beschwerde ist schriftlich einzubringen. Es besteht kein Neuerungsverbot. Rechtzeitig eingebrachte (und zulässige) Beschwerden kommt aufschiebende Wirkung zu. In der Folge wird dann vor dem Verwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. In Verwaltungsstrafsachen gilt das Verschlechterungsverbot.
Ersatzfreiheitsstrafe
Wird eine Geldstrafe verhängt, so ist zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen. Die Ersatzfreiheitsstrafe darf das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe nicht übersteigen. Wenn keine Freiheitsstrafe angedroht ist, darf die Ersatzfreiheitsstrafe zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig.
Fragen & Antworten zum Thema Verwaltungsstrafrecht:
Die Frist zur Erhebung eines Einspruchs gegen eine Strafverfügung beträgt zwei Wochen. Aber Achtung: Sollte die Ihnen die Strafverfügung hinterlegt worden sein (“gelber Zettel”) beginnt die Frist nicht erst, wenn Sie die Strafverfügung von der Post abholen! Die Zustellung gilt mit dem Tag als erfolgt, an dem die Abholung erstmals möglich ist. Am besten holen Sie behördliche Schriftstücke so schnell wie möglich ab.
Wenn kein Neuerungsverbot besteht heißt das, dass in der Beschwerde neue Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden können.
Das Verschlechterungsverbot – oder Verbot der reformatio in peius – bedeutet, dass das Verwaltungsgericht keine höhere Strafe als im erstinstanzlichen Bescheid verhängen darf.